Donnerstag, 23. September 2021

Der Rheinradweg

Da saßen wir nun fragend vor dem Freibad.
Und hatten gerade erfahren, dass die Weinlese in Frankreich nicht stattfindet. Kurz bevor wir in den Flixbus nach Reims steigen wollten. 
Dann mussten wir lachen und beschlossen einfach weiter den Rhein hoch zu fahren. Wir hatten uns eh gerade daran gewöhnt. Jeden Tag vor uns hinradeln, die Gegenden erkunden, Päuschen am Rhein machen, die Räder durch urige Orte schieben und abends einen Platz am Wasser, im Wald oder auf einem Berg finden. Wir lernten über die Plattform 1nitetent nette Leute kennen, wurden an weitere Bekannte vermittelt, wurden spontan in den Garten zum Übernachten eingeladen, hatten Wegbegleitung und und und. 


Wir merken, dass wir mit vollbepackten Rädern noch öfter angesprochen werden als mit den Rucksäcken. Wir bekommen Obst und Müsliriegel zugesteckt und die Leute finden es toll von ihrer Heimat oder auch den eigenen Abenteuern erzählen zu können.

Eine schöne Abwechslung war es auch für uns, als Moritz beschloss sich uns ein paar Tage anzuschließen. Wir lernten ihn in Geralds Garten in Freiburg kennen (danke an dieser Stelle noch einmal an Gerald!). Moritz hatte gerade Urlaub und machte seine erste größere Radreise für zwei Wochen. Mit für unsere Verhältnisse wenig Gepäck aber auch für unsere Verhältnisse unmöglich vielen Kilometern in dieser Zeitspanne. Dafür musste er nun mal ein paar Tage entspannter fahren, wenn er dabei sein wollte. Wir fanden schnell ein gutes Mitteltempo und hatten viel Spaß. Moritz motivierte uns die Berge hochzuhecheln und wir motivierten ihn, einfach mal langsamer zu fahren und sich nicht zu hetzen. Danke Moritz, für die lustigen Tage!


Das Leben im Zelt oder mittlerweile auch oft unter Schutzdächern im Wald ist übrigens für uns viel einfacher geworden. Auf jeden Fall liegt es unter anderem daran, dass es so viel leichter ist mit dem Rad nochmal ein bisschen herumzufahren und geeignete Orte anzuschauen. Wir können viel mehr Erkunden und Suchen als zu Fuß. Da musste jeder Schritt nach den gelaufenen Kilometern gut überlegt sein. Auch an einige Geräusche haben wir uns viel mehr gewöhnt. Da diskutiert man durch die Zeltwand  auch schon mal mit dem Fuchs, wer hier gerade wo sein darf. 

Auf der Route den Rhein hoch haben wir so viele schöne Orte erkundet. Der Rhein verändert sich auch andauernd und die Umgebung sowieso. Schlösser und Burgen, dann Weinberge, Wälder, Täler, Auen... 



Uns wurde mehrmals das schweizer Örtchen 'Stein am Rhein' empfohlen und so hatten wir hohe Erwartungen. Wir wurden nicht enttäuscht. Was ein wunderschönes Städtchen! Seht selbst.


An der Brücke über den Rhein stand eine schweizer-englische Familie. Vater und Sohn standen auf der anderen Seite des Geländers und waren drauf und dran in den Rhein zu hüpfen. Tatsächlich stehen dort Schilder "Springen auf eigene Gefahr" und dass man den Bootsverkehr beachten solle. Also ist es theoretisch möglich... Wir waren Tage zuvor schon ein paar Mal am Ufer des Rheins planschen gewesen und fanden es schon unglaublich taff von uns. Wenn man aus unserer Ecke Deutschlands kommt weiß man ja: Auf keinen Fall im Rhein schwimmen! Die Strömungen, die Schiffe! Und auch der Dreck. Aber ab Basel heißt es wohl eher: Ich lass mich mal ein bisschen mitreißen und steig' dann später wieder aus. Anfangs dachten wir echt die Leute seien lebensmüde und kämen nie wieder ans Ufer. In Stein am Rhein hatte Jenny dann aber die Abenteuerlust gepackt und  wusste, sie würde sich ärgern, die Chance nicht genutzt zu haben. Von einer Brücke in den Rhein springen.... Jawoll. Aber mit sehr zittrigen Knien. Dafür gleich drei Mal hintereinander. 



Das Leben auf dem Fahrrad macht uns richtig Spaß. Wir merken auch, dass wir immer fitter werden, dass wir - wenn wir Lust haben- viele Kilometer machen können und dass wir die Berge immer besser hochkommen. Wir haben schon die nächsten Herausforderungen geplant bzw. im Kopf, aber wir wissen mittlerweile ja auch, dass es bei uns dann doch oftmals anders kommt. Daher schauen wir einfach mal wie es weitergeht. Und erzählen euch dann natürlich davon. 



Viele Grüße vom Bodensee! 

SolidAHRität

Hallo ihr Lieben,
Da sind wir wieder. Fast drei Monate haben wir nun in unserer Heimat verbracht. Wir haben Freunde und Familie besucht und uns überlegt wie und wohin es jetzt für uns weiter geht. Mittlerweile sind wir auch geimpft und haben die Hoffnung, dass es jetzt einfacher wird mit dem Reisen. Wobei wir uns über Teil 1 der Reise echt nicht beklagen können. Wir sind froh über jede Erfahrung die wir machen durften und jeden Menschen, dem wir begegnen durften. Und über all die Abenteuer, die wir bislang erlebt haben.

In der Zeit zuhause haben wir entschieden, dass wir auf Fahrräder umsteigen. Laura besitzt eh schon ein gutes Trekkingrad und Jenny hat sich ein gebrauchtes angeschafft. Dann haben wir uns viel mit nötigem Equipment beschäftigt usw. Ihr glaubt ja gar nicht wie viel es da zu wissen gibt und was man angeblich alles braucht oder doch nicht braucht. Eine Wissenschaft für sich. Wir starteten jedenfalls unserer Meinung nach gut ausgerüstet Ende August von Bad Hönningen.

Wir entschieden uns zunächst ins Ahrtal zu fahren, wo es ein paar Wochen zuvor zu einer Flutkatastrophe gekommen war. 
Wir radelten also nach Ringen, einem Ort der oberhalb des Ahrtals liegt. Dort hat Haribo sein Gelände für das Helfershuttle freigegeben. Das Helfershuttle entstand kurz nach dem Unglück und bringt täglich hunderte und anfangs auch tausende freiwillige Helfer vom Gelände in die betroffenen Gebiete. Gestartet von Privatpersonen und kleinen Unternehmen aus der Gegend, die selber betroffen sind. Viele der Orginasatoren und Helfer haben seit dem ersten Tag nichts anderes mehr gemacht. Das Shuttle nimmt Aufträge von Privatpersonen an und verteilt die Projekte dann an Scouts, die sich wiederum ihre Helfer zusammensuchen. Aktuell handelt es sich um Stemmaufträge oder Aufräumarbeiten. 

Die Ahr hatte sich im Juli innerhalb kürzester Zeit in einen reißenden Fluss verwandelt und riss alles mit sich, was ihr im Weg stand. Bäume, Autos und auch viele Häuser. Es starben über 130 Menschen und es werden immer noch ein paar vermisst. Ein Gebiet von über 50km entlang der Ahr, mit vielen Dörfern auf dieser Strecke gleicht einem Kriegsgebiet. Alles ist verwüstet, vermüllt und verschlammt. Und viele Leute stehen vor den Trümmern, die gestern noch ihr Zuhause waren. Unglaublich! Die Leute haben größtenteils keinen Strom und kein fließend Wasser. An den Straßen stehen Dixiklos und große Tanks mit Brauchasser, die durch die Feuerwehr immer wieder gefüllt werden. Kirchen wurden als Spendenlagern errichtet, Containerdörfer für Betroffene und Helfer aus dem Boden gestampft und Versorgungszelte vom Roten Kreuz und dem THW in den Orten aufgestellt. 

Als wir ankamen, lag das Unglück bereits 6 Wochen zurück. Wir hatten nicht erwartet, dass das was wir sehen, riechen und hören uns so durchrütteln würde. Die Bilder aus den Nachrichten hatten für uns nicht ansatzweise den selben Effekt. Als wir mittendrin standen waren wir geschockt. Es verschlug uns die Sprache. 

Die ersten Aufräumarbeiten waren bereits geregelt, jetzt wurde bei den Häusern das Ausmaß der Zerstörung erstmal sichtbar. Viele Häuser müssen mindestens bis zur Wassermarke abgestemmt werden. Oft innen und außen. Wir waren in einigen Häusern im Einsatz, in denen die Wassermarke mittig im ersten Stock stand! Eine gruselige Vorstellung. Du läufst durch die Orte und es ist einfach unbegreiflich die Markierung zu sehen, die das Wasser an den Hauswänden hinterlassen hat. So ein kleiner Fluss. Kein Wunder, dass die Bewohner sich das auch nicht vorstellen konnten. Es geht nicht in die Köpfe rein. Hinterlassen hat das Wasser Chaos und Trümmer, aber vor allem Fassungslosigkeit und Angst. Gleichzeitig haben wir die Leute, die nach der Katastrophe geblieben sind, unermüdlich arbeiten sehen. Viele Häuser sind verlassen und viele Dörfer wirkten wie ausgestorben. Aber dort wo die Bewohner sich entschieden haben anzupacken, da wird ununterbrochen gearbeitet. Wir können beide Reaktionen verstehen. Zu gehen und nicht wiederkommen zu wollen. Aber auch die Kampfansage "Jetzt erst recht". Wir waren sehr beeindruckt von den Menschen die wir kennenlernen durften und haben größten Respekt vor ihrer Stärke! 

Auch die große Hilfsbereitschaft der Freiwilligen und die Organisation des Helfershuttles haben uns sehr imponiert. Es ist herzerwärmend zu sehen, mit welcher Selbstverständlichkeit und Energie so viele Menschen sich unermüdlich engagieren und dafür gesorgt wird, dass "niemand zurück bleibt". Weder Opfer, noch Helfer.

Auch Helfer werden rundum versorgt. Es gibt Ausrüstung, Arbeitskleidung, Getränke, Essen, Werkzeug, Sanitäter, Seelsorger... Wer sich freiwillig engagiert braucht nichts weiter als Motivation. 

Eigentlich wollten wir nur zwei Tage bleiben, doch dann sahen wir das Unglück mit eigenen Augen, hörten Geschichten, die uns erschauern ließen und hatten Begegnungen, die uns rührten und unser Herz erwärmten... So wurden aus zwei Tagen zwei Wochen. Zwei intensive Wochen zwischen Freud und Leid.

Es wird noch Jahre dauern, bis das Ahrtal wieder seine alte Schönheit zurück hat. Es dauert bestimmt noch ein Jahr, bis alle Menschen erstmal in ihre Häuser zurückkehren können.
Es werden leider immer weniger Helfer. Und die Situation für die Betroffenen ist noch sehr dramatisch! 
Aber wir hoffen, dass es weiter geht. Dass die Hoffnung und Zuversicht wächst und alle durchhalten.
Es erdet uns wieder und zeigt uns, dass nichts selbstverständlich ist. Dass von jetzt auf gleich alles anders sein kann.
Es zeigt uns auch, dass das Klima auch vor unserem Wohlstand keinen Halt macht. Aber vor allem hat es uns gezeigt, dass wir als Menschen Großes schaffen und uns gegenseitig Hilfe und Hoffnung geben können, wenn wir zusammen halten.

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge haben wir das Ahrtal verlassen.
Wir sind froh, noch ein paar Freunde und Verwandte motiviert zu haben, die weiterhin helfen! Vielen Dank an dieser Stelle! 

Und wir sind sehr dankbar für die Menschen, die wir in der Zeit kennenlernen durften und mit denen wir weiterhin in Kontakt sind. Viele von ihnen sind wieder und/oder immer noch vor Ort. Danke dafür, ihr seid stark! 

Die Menschen im Ahrtal werden noch lange unsere Hilfe brauchen! Und es lohnt sich wirklich, sich zu überwinden. Jeder kann etwas tun.