Nach einer letzten wunderbaren Italien-Woche mit unserer neuen Reisefamilie, ging es für uns alle letzten Donnerstag per Fähre von Italien nach Griechenland.
Die Fahrt verbrachten wir auf dem Boden. Gemütlicher Teppich, unangenehm pöbelnde Leute, daher wenig Schlaf- aber alles gut. Jetzt sind wir ja da!
Unsere Reisefamilie, bestehend aus Nadine, Fabio und klein Carlo, nahm uns vom Hafen in Igoumenitsa mit zum nächsten Strand. Mitnehmen bedeutet dass wir uns hinten in ihrem ausgebauten Laster transportieren ließen. Ihr Gefährt namens "Bela" ist richtig toll!
Sehr individuell eingerichtet und mit ganz viel Holz verkleidet. Ein richtig hübsches Zuhause fährt da durch die Gegend mit drei uns sehr liebgewonnen Freunden.
Die ausgesuchte Bucht war perfekt. Wenig Leute, besonders nach dem Gewitter und Regen am ersten Nachmittag - ein Paradies fast nur für uns!
Laura und ich stellten unser kleines Zelt auf und hausten einige Tage fast direkt am Strand. Morgens ins Meer zum "Duschen", mittags ins Dorf ein paar Sachen einkaufen, nachmittags nochmal ein wenig Schwimmen und Herumtauchen, mit Carlo toben und abends gemeinsam Kochen und zusammensitzen. Herrlich!
Wir lernten außerdem einen sehr netten Griechen kennen, der uns ab Tag 3 kleines Frühstück mitbrachte wenn er am Vormittag zum obligatorischen Bad vorbeikam. Jeder braucht einen Markos am Strand!
Weil es zu fünft so schön und auch schon so gewohnt war, zogen wir nach einigen Tagen gemeinsam weiter zum nächsten Strand. Dort trafen wir auf Philine, Julian und den kleinen Fio. Auch mit ihrem umgebauten fahrbahren Untersatz unterwegs. Der Strand war auch wunderschön. Felsiger, aber dafür spannender beim Fischegucken. Wir durften unter den Olivenbäumen unser Zelt aufschlagen.
Am ersten Abend bekamen Philine, Julian und Fio Besuch von einer Familie aus Afghanistan. Sie kamen abends wohl öfter vorbei und hatten sich angefreundet. Nesrin, Murad und deren Kinder Daniyal (6), Shadokht (5) und Mohammed (1) sind eine tolle Familie! Eigentlich wollten Laura und ich am nächsten Tag weiterziehen. Aber der kleine Mohammed hatte am nächsten Tag seinen 1. Geburtstag und so wurden wir prompt allesamt zum Essen am Strand eingeladen! Da mussten wir natürlich bleiben!
Wir wollten diese tollen Menschen unbedingt näher kennenlernen und ihre Geschichte hören.
Und es war eine fantastische Entscheidung noch eine Nacht zu bleiben und mit der Familie am Strand am Feuer zu sitzen und zu erfahren, wie sie nach Griechenland gekommen waren. Und wir finden es wichtig, dass ihr die Geschichte auch hört.
2015 machten sich Murad, Nesrin, Daniyal und die kleine Shadokht auf den Weg, raus aus Kabul. Shadokht war erst ein halbes Jahr alt und so durften Nesrin, Daniyal und sie einen Flug in den Iran nehmen. Murad lief den Weg zu Fuß und sie trafen sich im Iran wieder. Murad arbeitete ein Jahr in Teheran schwarz um Geld an die Seite zu schaffen, damit sie bald weiterziehen konnten. Er wurde dementsprechend behandelt.
Als es weiterging, für alle zu Fuß und teilweise per Auto mitgenommen, war Nesrin wieder schwanger und alle machten sich große Sorgen ob sie es in die Türkei und weiter nach Griechenland schaffen würden. Schließlich erreichten sie die Türkei und später die Küste, um in einem Boot nach Lesbos zu fahren. Nesrin erzählte uns, dass sie große Angst hatte und viele andere Boote viel zu voll gewesen seien und kenterten. Sie selber könne nicht schwimmen.
Die Familie aber hatte Glück. Als sie in Griechenland ankamen erklärte Murad diesen Tag zu seinem Geburtstag. Er wisse eh nicht das genaue Datum.
Die Familie lebte bis 2019 auf Lesbos im Lager von Moria. Nesrin erzählte, dass sie 2019 bei der Geburt von Mohammed im Krankenhaus des Lagers sehr schlecht behandelt worden sei. Sie waren froh als sie letztes Jahr auf's Festland kamen, in die Nähe von Parga. Dort leben sie seitdem in einem von zwei Hotels, welche für die Flüchtlinge zur Verfügung gestellt wurden. Es leben etwa 60-70 Familien in den Hotels. Den Familien werden unter anderem tägliche Mahlzeiten angeboten. Nesrin erzählte aber, dass sie heimlich selber auf dem Zimmer koche, da ihnen die Sachen besser schmecken und in Afghanistan anders gekocht werde. Wir können ihre Kochkünste nur bestätigen!
Nesrin, Murad und alle aus ihrer Familie haben Schreckliches gesehen und erlebt in ihrer Heimat. Nesrin sagte sie vermisse ihre Heimat sehr. Aber sie wisse auch, dass es in Kabul und Afghanistan nie wieder so sein wird wie früher und sie versuche nun in Europa ein Gefühl von Heimat zu entwickeln. Sie sei aber sehr froh, dass sie hier ein viel freieres Leben führen könne. Ihr Kopftuch trägt sie nicht mehr.
Leider würden sie oft auf Menschen treffen, die sie ablehnen, ihnen nicht helfen wollen, sie im Laden abweisen und nicht bedienen wollen oder im Kindergarten nur als "die Flüchtlinge" sehen. Wir haben sie kennenlernen dürfen. Und auch wenn es nur ein winziger Anteil von all den geflüchteten Menschen ist und es ganz sicher auch andere Menschen gibt, so haben wir durch diese Begegnung gelernt, dass es wichtig ist den Leuten zuzuhören, sich die Geschichten erzählen zu lassen und ein Gesicht zu den Geschichten vor Augen zu haben.
Für mehr Verständnis und Respekt.